"Goldene Zeiten"
August-Gottschalk-Haus: Jüdischer Alltag in Ostfriesland
Ludwig Levy erzählt: "Es war eine Zeit, welche die jüdischen Erwachsenen die „goldenen Zeiten“ nannten, weil es so schien, als seien die Juden total akzeptiert und in der christlichen Gemeinde integriert," ...
Im früheren jüdischen Schul- und Gemeindehaus in Esens, heute "August-Gottschalk-Haus", hat ZEITseeing die ständige Ausstellung mit dem Thema "Juden in Ostfriesland" vollendet.
"Uns gibt es noch, und wir sind mittlerweile wieder zahlreich", das war die zentrale Botschaft, die von den Nachfahren Esenser Juden mitgebracht wurde, als sie zum Beispiel dem Museum ihren Familienstammbaum schenkten.
ZEITseeing hat daher den bisherigen Charakter eines Mahnmals zur Schoah erweitert um den Aspekt des Alltags mit unseren jüdischen Nachbarn vor der Verfolgung im Nationalsozialismus. Ihr Leben zu Hause und in der Gemeinde, ihre Sitten und Gebräuche und ihre religiösen Speisegesetze sind Themen in der ehemaligen Küche und im weiteren Erdgeschoss. Auch die jüdischen Feste im Jahreslauf werden vorgestellt, darunter das Familienfest Pessach, zu dem ein Film die Tradition ostfriesischer Festelemente in einer heutigen israelischen, ehemals Emdener Familie zeigt.
Verschiedene Elemente nähern sich den Themen, die aufgrund der fast vollständigen Vernichtung des jüdischen Lebens und seiner Hinterlassenschaften nur schwer zu dokumentieren sind. Sprechblasen zeigen Spuren jiddisch-hebräischer Ausdrücke, die bis heute in unserem Sprachgebrauch geblieben sind, auch wenn alles andere vernichtet wurde.
Blick in die Ausstellung
Die Küche ist exemplarisch mit Kulissenmöbeln eingerichtet, in denen Vitrinen mit Objekten, Fotos und Texten Hinweise auf die Lebensgewohnheiten der jüdischen Familien geben. Auf dem Herd können typisch ostfriesische Gerichte interaktiv koscher "gekocht" werden.
Figurinen erinnern an die konkreten Menschen, die man hier im ehemaligen Gemeindehaus einst antreffen konnte.
In zwei kleineren Räumen wird die Religiosität in der Familie und der direkt benachbarten Synagoge angesprochen, hier sind viele noch original aus Esens stammende Objekte ausgestellt, die von den Nachfahren der Überlebenden gestiftet wurden, darunter das letzte Gebetbuch aus der Synagoge.
Als Quellen wurden die Erinnerungen des Kaufmanns Bernhard Wolff aus Esens, der sich auch mit Schenkungen sehr beim Aufbau des Museums engagierte, sowie ein Interview mit dem Esenser Viehhändler Ludwig Levy genutzt, welches Rachel Stern 1998 in New York mit ihm führte.
Die meisten von Levys Freunden waren Christen. "In der jüdischen Gemeinde sagten die Leute, dass ich mehr Christ sei als Jude, da ich immer mit ihnen zusammen war. Ich war dereinzige, der zu einem “goyschen Turnverein” ging. Wir unternahmen viel zusammen. So war es eben."